Am 08. Juni 2023 hat der EU-Rat den Kommissionsplänen zur Verschärfung des Asylrechts zugestimmt. Auch die Bundesregierung hat der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) zugesagt. Über die nationale Umsetzung der Reform gibt es noch keine genaueren Angaben.[1] Als Teil der GEAS-Reform zählt die Krisenverordnung inklusive der Instrumentalisierungsverordnung als zusätzliche Zuspitzung der Verschärfung im Asylrecht. Bisher gab es hierzu noch keine Mehrheit. Die Bundesregierung hat sich letzteren Verordnungen enthalten, was auf Druck der Zivilgesellschaft und diverser Organisationen zurückzuführen ist.[2] Eine neuer Verordnungsentwurf dazu wird derzeit zwischen den EU-Staaten verhandelt. [3]
Die Krisenverordnung kann im Fall einer Krise, Instrumentalisierung oder höheren Gewalt die Rechte von Geflüchteten noch weiter abzusenken. Z.B. Schließung von Grenzübergängen durch Reglung im Schengener Grenzkodex, Inhaftierungen an den Grenzen über mehrere Monate und massive Absenkungen bei den Unterbringungs- und Aufnahmestandards.[4]
Mit dem Gesetzespaket droht insgesamt: [5]
- Verfahren unter Haftbedingungen für Schutzsuchende an den EU-Außengrenzen (Artikel 8 Abs. 3 Aufnahmerichtlinie), auch für Minderjährige (Art.11)[6]
- Kaum bis keinen Zugang zu unabhängigen Rechtsbeiständen und medizinischer Hilfe
- Weitere abgelegene Massenlager und Zentren mit Ausschluss der Öffentlichkeit führen zu steigenden Menschenrechtsverletzungen, außerdem erhöhte Brandgefahr aufgrund von Waldfeuer
- Ausweitung des Konzepts „sicherer Drittsaat“:
Besonders kritisch ist das Grenzverfahren für Betroffene, die über „sichere Drittstaaten“ wie der Türkei fliehen. Das Land aus dem sie ursprünglich aufgrund von Krieg, Folter und Terror geflohen sind, würde im Grenzverfahren keine Rolle mehr spielen, sondern nur der Aufenthalt in einem sicheren Drittstaat (unter 40b Erwägungsgrund vorgeschlagene Asylverfahrensverordnung)[7]
>> Im Grenzverfahren soll über die Zulässigkeit des Asylantrags entschieden wird, ohne inhaltliche Prüfung der individuellen Schutzgründe. Bei Syrer:innen und Afghan:innen kann das die Abschiebung in die Türkei und von dort zurück in Krieg und Verfolgung bedeuten.[8]
- Keine faire verpflichtende Verteilung unter den Mitgliedsstaaten, stattdessen kann sich der Solidarität durch Strafzahlungen oder Migrationsabwehrende Maßnahmen in Drittstaaten entzogen werden. Z. B. durch Finanzierung von „Grenzschutz“ im Sudan, Tunesien oder der libyschen Küstenwache.
Wissenschaftler:innen, Migrationsexpert:innen und Jurist:innen sehen in der Reform um das Grenzverfahren einen weiteren Schritt zur Entrechtung von Schutzsuchenden, indem ihnen der Zugang zu Asyl unmöglich gemacht wird.
Quellen:
[1] https://www.consilium.europa.eu/de/policies/eu-migration-policy/eu-asylum-reform/
[2] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Gemeinsames-Statement_GEAS_Nein-zur-Instrumentalisierung-durch-die-Hintertuer_4.07.2023.pdf und https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Gemeinsamens-Statement-gegen-die-Instrumentalisierungsverordnung_5.12.2022.pdf?vgo_ee=F5SFoHV9fYaWYQD3EzknA5Mq9%2FijNC4HvKea94OQk18%3D
[3] https://www.statewatch.org/media/3946/eu-pact-council-crisis-force-majeure-compromise-10463-23-rev1.pdf
[4] https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/menschenrechte-im-ausverkauf/
[5] https://www.proasyl.de/news/ausverkauf-der-menschenrechte-deutschland-stimmt-fuer-aushebelung-des-fluechtlingsschutzes/
[6] https://www.statewatch.org/media/1429/eu-council-reception-conditions-conditional-confirmation-text-10009-18-add1.pdf
[7] https://data.consilium.europa.eu/doc/document/ST-10444-2023-INIT/de/pdf
[8] https://www.proasyl.de/news/die-bundesregierung-und-ihre-schoenrednerei-im-faktencheck/