Das RLC Journal im Interview

Die RLC Berlin betreibt das RLC Journal, einen Online-Blog, mit dem sie Erfahrungen und Erkenntnisse aus ihrer Arbeit teilen und in die konstruktive Debatte einbringen möchte. Wir haben zwei Redakteure des Journals, Setare Bucher und Safiye Sahin, über ihre Arbeit interviewt.

Wer steht eigentlich hinter dem Refugee Law Clinic Journal?

Setare: Unsere Autoren sind größtenteils Engagierte an der RLC Berlin. Zusätzlich haben auch Andere, die mit der Thematik zu tun haben, Beiträge im Journal verfasst. Dazu gehören u.a. auch Anwält*innen und Berater*innen an anderen Law Clinics.Es gab bei der RLC Berlin immer wieder Ideen einen Blog oder etwas Ähnliches zu starten. Ich habe dann ein Konzept erstellt und mich mit den Leuten zusammengefunden, die auch schon ähnliche Ideen hatten. Wir haben uns daraufhin als Redaktion zusammengeschlossen und einen Aufruf für Autor*innen gestartet. Zur Zeit teilen wir uns die Aufgabe unter sechs ehrenamtlich Engagierten und unserer wissenschaftlichen Mitarbeiterin.

Warum braucht es überhaupt ein Refugee Law Clinic Journal? Sollten sich die RLCs nicht besser auf ihren Kernbereich der Rechtsberatung konzentrieren und Journalismus professionellen Medien überlassen?

Safiye: Es geht beim RLC Journal nicht per se um klassischen Journalismus, sondern v.a. auch um Wissens- und Erfahrungsaustausch für alle die im Bereich Migration tätig sind oder anderweitig Kontakt oder Interesse an Fragestellungen in diesem Bereich haben. Der RLC Berlin und mir -als erste und einzige wissenschaftliche Mitarbeiterin- war es ein wichtiges Anliegen v.a. für unsere Engagierten, die vornehmlich ehrenamtlich und praxisorientiert arbeiten, solch eine Plattform ins Leben zu rufen. Denn diese sind Experten*innen in der Sache, sie beschäftigen sich persönlich mit den einzelnen Fällen und begleiten diese, woraus ja auch die Motivation erwächst davon zu berichten. Eine solche Plattform war aber auch insoweit längst hinfällig, weil das Thema Migrationsrecht leider nicht fest an der Universität verankert ist, und erst durch die RLC Berlin Zugang zur Lehre gefunden hat. Durch das Bestreben der RLC auch Menschen in einer weniger privilegierten Situation ihren „Zugang zum Recht“ zu ermöglichen und die „Social Justice Education“ zu fördern wird tagtäglich neues Wissen produziert und ein einmaliger Einblick in die Praxis im Migrationsrecht gewährt. Wir wollen dieses Wissen auch der Öffentlichkeit zugänglich machen und wichtige Debatten bei der wechselseitigen Wahrnehmung von Migration im Kontext von Gesellschaft, Politik und Recht anstoßen. Ziel ist es deswegen aus verschiedenen Bereichen interdisziplinär und multiperspektivisch zu berichten: u.a. aus der Beratungspraxis, Wissenschaft, Ausland und im Bereich Kontext.

Ihr habt das Journal ins Leben gerufen – so steht es knapp auf der Website – um einen Raum für einen Erfahrungs- und Erkenntnisaustausch zu schaffen, um einen konstruktiven Diskurs anzustoßen. Ist das schon gelungen bzw. wie stellt ihr euch das genau vor?

Setare: Dank engagierter Autor*innen, haben wir schon viele spannende und relevante Beiträge veröffentlicht. Die Artikel bieten einen rechtlichen oder sozialen Kontext für Fragen, mit denen wir uns in der Beratung, oder auch außerhalb, konfrontiert sehen. Das finde ich sehr wertvoll. Dabei wurden auch schon unterschiedliche Perspektiven und Themen beleuchtet, was uns wiederum vor Augen führt, wie komplex die Thematik ist.Dazu muss man auch sagen, dass die meisten Autor*innen bei uns Student*innen sind und das ehrenamtlich machen. Natürlich können wir damit nicht den gesamten Diskurs zum Thema Flucht und Asylrecht verändern. Wir wollen aber einen Schritt machen, um aus unseren gegenseitigen Erfahrungen und Kenntnissen zu lernen.

Das Refugee Law Clinic Journal soll „Zugang zum Recht“ fördern. Was steht eurer Meinung nach hinter dem abstrakten Schlagwort „Zugang zum Recht“?

Safiye: Das jeder Person- unabhängig z.B. von Herkunft oder sozialem Status- der „Zugang zum Recht“ gleichermaßen zustehen soll. Das ist eine Errungenschaft des Rechtsstaats und auch verfassungsrechtlich garantiert durch die Rechtsweggarantie in Artikel 19 IV Grundgesetz (GG) und dem Gleichheitsgrundsatz in Artikel 3 GG. Daher lesen wir auch „Zugang zum Recht“ mit „Social Justice“ zusammen. Damit der gleiche „Zugang zum Recht“ für alle auch tatsächlich durchsetzbar ist, setzen wir uns als zivilgesellschaftlicher Akteur auch hierfür ein. Leider zeigt uns die Praxis, dass auch in einem sonst entwickelten Rechtsstaat strukturelle Defizite dem „Zugang zum Recht“ im Weg stehen können – sowohl in rechtlicher als auch tatsächlicher Hinsicht. So haben wir es im Asylverfahren mit einem quasi „Sonderrecht“ zu tun, weil hier bedeutende Abweichungen vom allgemeinen Prozessrecht gelten – und zwar zum Nachteil Geflüchteter. Im Asylverfahren begegnen wir verkürzten Rechtsschutzmöglichkeiten wie z.B. durch verkürzte Klagefristen oder das Fehlen eines Widerspruchsverfahrens. In tatsächlicher Hinsicht haben zudem Geflüchtete einen viel schwierigeren Zugang zu Informationen und wegen ihrer so oft prekären Verhältnisse ist die Inanspruchnahme der ihnen zustehenden Rechte umso steiniger. Das RLC-Journal soll v.a. durch einen Informations- und Erfahrungsaustausch auf diese Zustände aufmerksam machen und für den Einsatz für „Social Justice“ sensibilisieren und motivieren.

Manche Beiträge im Journal muten schon eher juristisch-theoretisch an; wie kann aus diesem theoretischen Diskurs ein Mehrwert für die alltägliche Beratung der RLCs bzw. für die Ratsuchenden entstehen?

Setare: Theoretische Auseinandersetzungen mit der Rechtslage liefern den Leser*innen den wissenschaftlichen Kontext für Dinge, denen sie in der Beratung begegnen. Die Inspiration für diese Artikel stammt schließlich meistens aus der Beratungserfahrung der Autor*innen. Zukünftig wollen wir gerne auch mehr Case Studies anbieten, in denen der Fokus auf einer konkreten Beratungserfahrung liegt. Für Erfahrungsberichte sind wir auch gerne offen.

Die Artikel im Journal bewegen sich zwischen persönlicher Erfahrung, politischer Positionierung und wissenschaftlichen-juristischen Diskurs. Im RLC Journal ist der folgende Beitrag von Christoph König zu finden: „RLC & Politik geht das?“ Er beantwortet diese Frage mit Ja. Die RLCs seien politische Akteure. Versteht ihr das RLC Journal als Sprachrohr eines politischen Akteurs?

Safiye: Wir verstehen das RLC-Journal nicht als politisches Sprachrohr für die RLC an sich, das Journal soll die RLC also nicht politisch vertreten. Vielmehr sehen wir das RLC-Journal als Plattform für alle, die sich einbringen wollen und wenn gewollt auch einzeln als politische Akteure.

Im Journal schreibt Jonas Hein über die Zustände an der griechischen Ägäis. „Hoffnungslosigkeit im Dauerzustand“, so der Titel des Beitrags. Beim Lesen des Titels erscheinen sofort dramatische Bilder vor dem inneren Auge. Illustrationen sucht man allerdings im Beitrag wie im ganzen RLC Journal vergebens. Ist das Absicht?

Setare: Ja, ist es. Wir hatten in der RLC Berlin, in einem anderen Kontext, früher schon eine Debatte zum Thema Bilder und haben uns dagegen entschieden. Wir wollen dieser Entscheidung treu bleiben und haben uns auch hier darauf geeinigt Bilder wegzulassen.

Es ist uns wichtig Menschen, oder auch ihren persönlichen Lebensraum, nicht zur Schau zu stellen und auch Menschen nicht auf ihre momentane Situation zu reduzieren.

Und zu guter Letzt: Nennt mir drei Gründe, warum es sich lohnt das RLC Journal zu lesen.

Safiye: Es ist ein einmaliger Einblick in die Praxis der Rechtsberatung. Dazu kommt, dass unsere Rechtsberatung sehr vielseitig ist, wir haben Berichte aus Griechenland, aus der Frauenberatung, aus dem Team der Familienzusammenführung, aus der Perspektive Betroffener und zu vielen anderen aktuellen Themen. Außerdem ist es ein Austausch zwischen Student*innen und anderen Engagierten, die sich mit der Thematik auskennen, persönliche Bezüge dazu haben und politisch aktiv sind. Die Artikel sind gut recherchiert und beleuchten verschiedene Aspekte eines enorm wichtigen Themas.

Das Journal behandelt Themen, mit denen wir in der Beratung und außerhalb konfrontiert werden und bettet diese in einen wissenschaftlichen oder sozialen Kontext ein. Davon kann unserer Meinung nach jede Person profitieren, die sich mit dem komplexen Thema von Flucht und Migration befasst.

Vielen Dank an Setare und Safiye für dieses spannende Interview! Allen Interessierten legen wir gerne ans Herz, sich das Journal nun einmal selbst anzuschauen.