Dossier: Menschenhandel und Migration in der EU

Ungefähr 23,7 Millionen Menschen wanderten 2020 in die EU ein – ca. 470.000 davon nach Spanien.1 Bei der Einreise werden dabei auch gefälschte Dokumente, sowie echte Studenten- und Arbeitsvisa genutzt. Häufig in Spanien, aber auch grundsätzlich in der EU nutzen Menschenhändler diese Einreisemöglichkeiten, um ihre Opfer auf diese Weise über die Grenzen zu bringen.2 Dabei machen sie sich auf perfider Weise die Methoden zunutze, die eigentlich Geflüchteten und Migranten zugute kommen sollen.

Um Opfer in der Beratung zu erkennen und ihnen die nötige Hilfe zu bieten, werden nachfolgend die möglichen Anzeichen, sowie der grundsätzliche Ablauf von Menschenhandel dargestellt werden. Sowie einige rechtliche Optionen für die Opfer

 

Welche Anzeichen sind Indizien, dass eine Person ein Opfer von Menschenhandel ist?3

  • Person ist nicht im Besitz von Reisedokumenten hat keine Kontrolle über diese
  • Drohungen gegen die Familie für den Fall, dass die Person flüchtet
  • Drohungen auch mit polizeilichen Maßnahmen, insbesondere der Abschiebung
  • Unterernährt, sowie medizinisch nicht versorgt
  • Keine freie Bestimmung über den Aufenthaltsort, insbesondere keine Leben am Arbeitsplatz

und/oder organisierte Transporte zwischen Arbeitsplatz und „Freizeitsort“

  • Person wurde für bestimmte Tätigkeit angeworben, muss nun aber andere Art von Tätigkeit verrichten (z.B. gezwungen zu Sex)
  • Person muss arbeiten, um Schulden abzubezahlen

 

Aber wie läuft Menschenhandel überhaupt ab? 4

Menschen, die bereits in ihrem Heimatland unter schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen leben, sind anfällig dafür, Opfer von Menschenhändlern zu werden, da sie aufgrund dieser Notlage kontaktiert und angeworben werden.

Meistens wird ihnen eine legale Arbeit angeboten, bspw. im Hotelgewerbe oder in der Hauswirtschaft. Es gibt aber auch Fälle, in denen mögliche Opfer bereits wissen, dass sie in der Prostitution enden werden. Dann werden sie jedoch über die Arbeitsbedingungen oder die Höhe des „Gehalts“ getäuscht.

Auch häufig werden für die Anwerbung kulturelle und familiäre Hintergründe bei der Anwerbung ausgenutzt. Dies nutzen die Menschenhändler dann auch, um das Opfer später gefügig zu halten. Um die angeworbenen Personen dann über die Grenzen zu bringen, werden diese über festgelegte Routen, hauptsächlich dem Land- oder Luftweg, in das Zielland, wie Spanien, gebracht. Für den Grenzübertritt werden den Opfern meist Touristen- oder Studentenvisa besorgt, diese sind nicht zwingend gefälscht.

Für die Beratung muss deshalb festgestellt werden, dass allein das Vorliegen eines Visums nicht für oder gegen Menschenhandel spricht. Vielmehr muss darauf geachtet werden, ob die Dauer dieses überschritten wurde und unter welchen Lebensbedingungen die potentiellen Opfer leben.

Auch wichtig ist, dass die Opfer bei der „Überführung“ meist drei Personen ausgesetzt sind:

  • „Anwerber“, der meist dieselbe Staatsangehörigkeit haben wird,
  • dem „Schleuser“, welcher für die Reise, insbesondere den Grenzübertritt verantwortlich ist und sie Opfer auch auf den Reisen begleitet, und
  • dem „Kontrolleur“, der für die Ausbeutung des Opfers und die Überwachung bei dieser zuständig ist.

 

Doch welchen rechtlichen Möglichkeiten stehen Opfern von Menschenhandel zu?5

Grundsätzlich haben Opfer eine dreimonatige Bedenkfrist, um über eine Kooperation mit den Strafbehörden nachzudenken, § 59 VII AufenthG. Sollte eine solche Kooperation stattfinden, kommt bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 IVa AufenthG ein temporärer Aufenthaltstitel in Betracht. Da hierfür ein Anwalt empfehlenswert ist, ist anzumerken, dass der Weiße Ring e.V. einen Beratungsscheck für ein rechtsanwaltliches Beratungsgespräch für Opfer anbietet.

Für den Fall eines Gerichtsverfahrens ist anzumerken, dass die Möglichkeit besteht, einen Opferanwalt zu beantragen, welcher dann kostenfrei für das Opfer ist.

Ansonsten ist eine Opferbetreuung von Hilfsorganisationen dringlich zu empfehlen.6

 

 

1 Europäische Kommission, https://ec.europa.eu/info/strategy/priorities-2019-2024/promoting-our-european- way-life/statistics-migration-europe_de; Instituto Nacional de Estadística, https://www.ine.es/en/prensa/cp_e2022_p_en.pdf, S. 6.

2 Defensor del Pueblo, https://www.defensordelpueblo.es/en/wp- content/uploads/sites/2/2017/04/Defensor_del_Pueblo_Human_Trafficking.pdf, S. 83f.; Europäisches Parlament,https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/BRIE/2021/659450/EPRS_BRI(2021)659450_EN.p df, S.6.

3 Für diesen Abschnitt vgl. Defensor del Pueblo, https://www.defensordelpueblo.es/en/wp- content/uploads/sites/2/2017/04/Defensor_del_Pueblo_Human_Trafficking.pdf, S. 80; State of Nevada, https://ag.nv.gov/Human_Trafficking/HT_Signs/.

4 Für diesen Abschnitt vgl. Defensor del Pueblo, https://www.defensordelpueblo.es/en/wp- content/uploads/sites/2/2017/04/Defensor_del_Pueblo_Human_Trafficking.pdf, S. 83f; Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, https://www.polizei- beratung.de/opferinformationen/menschenhandel/.

5 Für diesen Abschnitt vgl. Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes, https://www.polizei- beratung.de/opferinformationen/menschenhandel/.

6 z.B. KOK e.V., Servicestelle gegen Arbeitsausbeutung, Zwangsarbeit und Menschenhandel oder Weißer Ring e.V.